Barockorgel in der Neustädter Hof- und Stadtkirche

Die Thomas-Orgel der HMTMH: eine mögliche Bach-Orgel

Die Hochschule für Musik, Theater und Medien Hannover (HMTMH) sollte eine neue Orgel bekommen, die eine adäquate, d. h. stilgerechte Wiedergabe deutscher barocker Orgelmusik, insbesondere der Werke Johann Sebastian Bachs ermöglicht. Die Aufgabenstellung war bewusst allgemein formuliert, um dem Orgelbauer größtmögliche künstlerische Freiheit zu gewähren. Die Bach-Orgel gibt es nämlich nicht – der Orgelbauer muss die Aufgabe interpretieren, seine Vision davon vorlegen. Das Instrument sollte sich am mitteldeutschen Orgelbaustil orientieren, drei Manuale und Pedal und etwa 45 Register haben.

Man kann sagen, dass Johann Sebastian Bach während seines ganzen Lebens nie an einer Orgel amtierte, die den von ihm an Virtuosität und Komplexität gesetzten Maßstäben wirklich entsprach (vielleicht mit Ausnahme der zwei Orgeln in Mühlhausen, wo er aber nur ein Jahr blieb). So muss für eine Bach-Orgel eine Synthese zwischen den stilistischen Orgelbaumerkmalen seiner verschiedenen Lebenssituationen versucht werden.

Bach wurde von den großen norddeutschen Instrumenten in Lüneburg, Hamburg und Lübeck während seiner Jugendjahre tief beeindruckt. Die Möglichkeiten, die die Farbigkeit der Dispositionen, nicht zuletzt die üppig besetzten Pedalwerke öffneten, wusste Bach in seinen Kompositionen umzusetzen. Der mitteldeutsche Orgelbaustil, der jedoch seinen Alltag in Weimar, Köthen und Leipzig prägte, unterschied sich nicht wenig davon. Schlussendlich spiegelte sich der klangästhetische Wandel des 18. Jahrhunderts im Orgelbau wider: der Wunsch nach Ausdruck „Cantabilität“ verlangte mehr Farbvielfalt im Bereich der Grundregister; „Gravität“ (für das Hauptwerk und das Pedal) ist ein Wort, dass bei Bach in seinen Gutachten und Wünschen immer wieder vorkommt. Verglichen mit den norddeutschen Orgeln des 17. Jahrhunderts (von denen Arp Schnitger als berühmtester Erbauer zu nennen wäre), sind die Pedalwerke der sächsischen und thüringischen Instrumente relativ bescheiden ausgestattet. Dafür ist die Vielfalt der „kammermusikalischen“ Register umso größer. Glücklicherweise ist Bachs Tätigkeit als Orgelsachverständiger und gefragter Experte gut dokumentiert, sodass wir wissen, was ihm an einer Orgel wichtig war, nicht nur bautechnisch sondern auch welche Klänge und Farben er schätzte bzw. bevorzugte. Man kann sagen, dass Bachs Ideal sich zwischen den Klangwelten Johann Gottfried Silbermanns und denjenigen seines Schülers Zacharias Hildebrandt (Sachsen), Tobias Gottfried Heinrich Trosts (Thüringen) auf der einen Seite, und denen Arp Schnitgers auf der anderen Seite bewegt.

Gravität, Strahlkraft und Farbigkeit soll die Hannoversche Bach-Orgel haben, in der Interpretation des Orgelbauers Dominique Thomas. Eine gute Orgel kann aber viel mehr als das, wofür sie bestimmt ist: Das neue Instrument wird vorzugsweise die polyphone Musik der 17. und 18. Jahrhunderte wiedergeben, nicht zuletzt aber erstaunlich breite Möglichkeiten im (früh-)romantischen Repertoire ermöglichen, sozusagen als zusätzliche Bescherung.

Prof. Emmanuel Le Divellec

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Emmanuel Le Divellec spielt am 26. Oktober 2019 erstmals die neue Thomas-Orgel in der Öffentlichkeit. Foto: Klaaschwotzer (CC BY-SA 4.0)

Orgelbauer: Manufacture Thomas (Stavelot)

Register: 51, davon 9 Zungenregister

Manuale: 3 mit jeweils 54 Tasten (C-f³)

Pedal: mit 30 Tasten (C-f¹)

Koppeln: 3 Pedal- und 2 Manualkoppeln

Baukosten: ca. 1,2 Millionen Euro

Orgelpfeifen: Insgesamt ca. 2.900 Pfeifen

Prospektpfeifen: 206 Pfeifen

Längste Pfeife: ca. 5 Meter

Kleinste Pfeife: ca. 5 Millimeter

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