Konzept der Citykirchenarbeit: Eine Notwendigkeit
Citykirchenarbeit (das Arbeitsfeld "Kirche für die Stadt") geht von der Erkenntnis aus, dass viele Menschen einer Stadt den gesamten urbanen Raum der Stadt als ihren Lebensbereich empfinden und dabei ihren Glauben nicht ausschließlich im Umfeld einer Parochie leben. Daher ist Citykirchenarbeit in der Großstadt eine Notwendigkeit. Citykirchenarbeit geschieht auf dem Marktplatz und den Plätzen der Stadt. Sie folgt dem Verkündigungsauftrag "Gehet hin in alle Welt" (Mk 16,15). Wenn die Kirche in der City präsent und erkennbar bleibt, wird die Wahrnehmung der Kirche als Ganzes gestärkt.
"City" ist das urbane Zentrum von Hannover, ein Einkaufs- und Freizeitbereich mit hohem Erlebniswert, großer emotionaler Bindung und Identifikationskraft für das Selbstverständnis der Menschen in der Stadt. Zur City in diesem Sinne gehören nicht nur die Innenstadt von Hannover, sondern z. B. auch städtische Feste und Messen sowie vielfältige Ausdrucksformen religiösen Lebens. Citykirche nimmt diese Orte wahr. Citykirche bringt sich in den Sozialraum ein und gestaltet ihn zusammen mit allen. Sie reflektiert diese Arbeit in einer Theologie der Stadt.
"City" steht für die Menschen, deren Lebenswirklichkeit von Individualisierung und Mobilität geprägt ist. Citykirchenarbeit begegnet ihnen, gibt Wegbegleitung und Heimat auf Zeit.
Citykirchenarbeit findet im Kontext des bundesweiten und europäischen Netzwerkes Citykirchenarbeit statt und lässt sich davon inspirieren.
Ziele und Merkmale der Citykirchenarbeit
Die Bedeutung von Citykirchenarbeit zeigt sich beispielhaft an den Kirchengebäuden. Citykirchen verweisen – räumlich gesehen – auf die Zentren der Stadt. Sie stellen allein durch ihre Existenz die Frage nach der äußeren (geographischen) und inneren (seelischen) Mitte der Stadt. Sie repräsentieren Stadt-, Kunst- und Kirchengeschichte. In ihnen wird das Gedächtnis der Stadt wachgehalten. Sie haben stadt-weite Ausstrahlung und prägen die Identität der Stadt. Sie stehen für das Woher und Wohin des Lebens und halten die Frage nach Gott offen.
Citykirchen sind als Stadtkirchen Orte der Bürgergemeinde als ganzer. Sie "gehören" nicht einer einzelnen Kirchengemeinde, sondern allen Menschen. Sie sind daher Gotteshäuser, d. h. Orte, die in Erinnerung, Vergegenwärtigung und Erwartung die Präsenz des Geistes Gottes erfahrbar machen. Lebendige Gasthäuser Gottes, in denen Mittel des Lebens ausgeteilt werden. Dazu gehören nicht nur die sakramentalen Gaben, sondern auch Stille und Gastlichkeit. Kristallisationsorte, in denen sich plurales, religiöses und staatsbürgerliches Interesse artikulieren, bilden und vertiefen kann. Citykirche schafft Orte, an der Gesellschaft sich anders als durch Milieugrenzen erfahren kann. Sie setzt sich mit der Dechiffrierung der zivilgesellschaftlichen Prozesse auseinander. Sie bemüht sich, Grenzen zwischen unterschiedlichen Milieus durchlässig zu halten, auch durch profilierte Angebote, die sich an die ganze Stadt richten.
Citykirchen als öffentliche Kulturräume halten das Bewusstsein wach, dass eine Stadt nicht-privatisierte und nicht ökonomisch besetzte Räume braucht.
Kommunikationsorte für die Musik, die Kunst, das Wort
Stadtbildprägende Citykirchen an den Marktplätzen und Mittelpunkten der Städte sind Ausdruck des Auftrages aus "Suchet der Stadt Bestes" (Jeremia 29,7) und "Gehet hin in alle Welt..." (Markus 16,15). Der Glaube gehört auf die Marktplätze der Stadt. Aus diesem Verständnis des christlichen Glaubens sind die Stadtkirchen entstanden. Christlicher Glaube sucht die Präsenz in der Mitte dieser Welt, in der Mitte der Stadt. Er stellt sich den Herausforderungen des politischen Gemeinwesens und fordert selbst dieses Gemeinwesen heraus, zu einer Gestalt zu finden, in der "Recht und Gerechtigkeit" (Jesaja 6,9) wohnen. Die Kirchen der Stadt sind Wahrzeichen für die Suche nach der geheilten Stadt.
Im vielschichtigen Diskurs der Stadt zwischen Rathaus und Bankenturm, Opernhaus und Bahnhof, Messe und Stadion trägt christlicher Glaube mit seiner Utopie von der geheilten Stadt, dem himmlischen Jerusalem (Offenbarung 21,2), dazu bei, dass das politische Alltagsgeschäft Impulse von einer Vision der Zukunft bekommt, die die Zwänge der Gegenwart überwinden helfen.
Die Citykirchen beteiligen sich in besonderer Weise an diesem Diskurs und nehmen ihre Aufgabe als Darstellungsorte für das Evangelium von Kreuz und Auferstehung für die ganze Stadt wahr. So geben sie den Menschen Anteil an der Hoffnung, dass es sich lohnt, dem Zusammenleben in einer gerechten, friedvollen, schöpfungsbewahrenden und damit lebenswerten Stadtgesellschaft zu dienen. Damit eröffnen sie Räume der Gewissenbildung in der städtischen Öffentlichkeit. Stadtkirchen sind Asylorte für seelische Grundbedürfnisse, sie repräsentieren ein anderes Raumerleben und eine andere Zeiterfahrung. Sie bergen in aller Gebrochenheit das Heilige und schützen die Seele der Menschen. Sie nehmen ihre diakonische Verantwortung in der Mitte der Stadt wahr.
Citykirche hat teil an den Wunden der Stadt. In ihr spiegelt sich die Kreuzgestalt der Welt. Sie nimmt die Realität von Schmerz, Tod und Gewalt wahr und lebt die Barmherzigkeit Gottes inmitten der Stadt.
Citykirche hat teil an den Freuden der Stadt. Stadtkirchenarbeit lebt von ökumenischer und interreligiöser Offenheit. Der lokale Jahreskalender und das christliche Festjahr sowie herausragende Ereignisse dienen als "Öffentliche Agenda" der Citykirchenarbeit. Die Kirche für die Stadt feiert auf vielfältigsten Ebenen der bildenden Kunst, der Musik, der Predigt, des Gebetes, der Sakramente und des öffentlichen Diskurses die Zukunft der geheilten Stadt.
Folgende Ausprägungen von Citykirchen sind zu unterscheiden:
Zentralkirchen/ Wahrzeichenkirchen
Kriterium: Lage im Innenstadtkern, herausgehobene kunst- und kirchengeschichtliche Bedeutung, wird auch von außen als ein Wahrzeichen der Stadt empfunden. Geistliche und weltliche Zentralfunktionen (für Bischof, Rat und Landtag). Bedeutung weitgehend unabhängig von parochialen Bezügen.
- Marktkirche
Schwerpunktkirchen mit Bezug auf die ganze Stadt
Kriterium: Innerstädtische Lage an zentralem hervorgehobenen Ort, stadtbildprägend. Bauliche Beschaffenheit und soziokulturelles Umfeld legen eine gemeindeübergreifende Nutzung nahe. Hervorragende Verkehrsanbindung.
- Apostelkirche
- Christuskirche
- Gartenkirche
- Kreuzkirche
- Aegidienkirche
- Markuskirche
- Neustädter Hof- und Stadtkirche
- Gospelkirche