Lesen Sie hier die Predigt, die Superintendent i. R. Hans-Bernhard Ottmeram 25. April 2011 in der Neustädter Hof- und Stadtkirche gehalten hat.
25. April 2010 – Jubilate – Neustädter Hof- und Stadtkirche Gn. 1,1-4a/26-31/2,1-4a
Am Anfang schuf Gott Himmel und Erde. Und die Erde war wüst und leer, und es war finster auf der Tiefe; und der Geist Gottes schwebte auf dem Wasser. Und Gott sprach: „Es werde Licht“. Und es ward Licht. Und Gott sah, dass das Licht gut war.
Und Gott sprach: „Lasst uns Menschen machen, ein Bild, das uns gleich sei, die da herrschen über die Fische im Meer und über die Vögel unter dem Himmel und über das Vieh und über alle Tiere des Feldes und über alles Gewürm, das auf Erden kriecht“.
Und Gott schuf den Menschen zu seinem Bilde, zum Bilde Gottes schuf er ihn; und er schuf sie als Mann und Frau. Und Gott segnete sie und sprach zu ihnen:
„Seid fruchtbar und mehret euch und füllet die Erde und macht sie euch untertan und herrscht über die Fische im Meer und über die Vögel unter dem Himmel und über das Vieh und über alles Getier, das auf Erden kriecht“.
Und Gott sprach:
Sehet da, ich habe euch gegeben alle Pflanzen, die Samen bringen, auf der ganzen Erde, und alle Bäume mit Früchten, die Samen bringen, zu eurer Speise.
Aber allen Tieren auf Erden und allen Vögeln unter dem Himmel und allem Gewürm, das auf Erden lebt, habe ich alles grüne Kraut zur Nahrung gegeben“.
Und es geschah so.
Und Gott sah an alles, was er gemacht hatte, und siehe, es war sehr gut.
So wurden vollendet Himmel und Erde mit ihrem ganzen Heer.
Und so vollendete Gott am siebenten Tag seine Werke, die er machte und ruhte am siebenten Tage von allen seinen Werken, die er gemacht hatte,
Und Gott segnete den siebenten Tag und heiligte ihn, weil er an ihm ruhte von allen seinen Werken, die Gott erschaffen und gemacht hatte.
So sind Himmel und Erde geworden.
I
Liebe Gemeinde, liebe Schwestern und Brüder,
ob Sie wohl eben sehr erstaunt gewesen sind oder verwundert?
Als Antwort auf eine der erhabensten, ja der heraus ragendsten Stellen der Bibel, nach Teilen der alten Schöpfungsgeschichte, – ein Kinderlied singen? „Weißt du, wie viel Sternlein stehen…? Ist das der Bedeutung dieses alten Dokuments angemessen?
Ich gebe zu, ich wollte Sie mit dem Lied eben ein wenig herausfordern.
Aber gleichzeitig möchte ich Sie damit an Ihre Kinder und Enkel erinnern.
Wer, was meinen Sie, hat diese Frage zuerst gestellt:
„Weißt du wie viel Sternlein stehen…? Der Dichter des Liedes – oder vielleicht sein Enkel oder seine Enkelin? Ich weiß nicht, wie es sich beim Lieder-Dichter
Wilhelm Hey anno 1837 zugetragen hat. Ich phantasier mal, der hat irgendwann in einer klaren Sternennacht vielleicht mit einem aufgeweckten Enkel-Kind im Garten gesessen; sie haben die Sternschnuppen gezählt. Und irgendwann hat das Kind gefragt:
Kannst du mir sagen, wie viel Sterne das sind da oben? Und wer die gemacht hat?
Und dann sind die beiden ins Gespräch gekommen und haben über die Schöpfung geredet. Über die Hitze der Sonne. Über die Fische in den Wassersfluten und darüber, dass Gott sie alle beim Namen und ins Leben gerufen hat. Dann – denke ich mir – hat der Dichter das Kind irgendwann mit einem liebevollen Gute-Nacht-Gruß ins Bett geschickt. Und anschließend ein Lied gedichtet, dessen Thema er einem Kind und seiner Frage verdankt.
So hätte es gewesen sein können.
Genau s o oder so ähnlich – stelle ich mir vor – ist vor Jahrtausenden die Schöpfungserzählung entstanden. Weil Kinder ihre Eltern und Großeltern gefragt haben: Wo ist das eigentlich alles her? Sonne, Mond und Sterne, Himmel und Erde, die Pflanzen, die Tiere und wir – die Kinder und Geschwister und unsere Eltern und Großeltern? Ja, woher sind wir?
Und dann haben sie nachts miteinander vor ihren Zelten gesessen, in den Himmel geschaut, die Sterne beobachtet – und haben erzählt ohne Ende, haben erzählt von ihrem Gott, wie nur Orientalen zu erzählen wissen. Bis jemand, der Buchstaben kannte, die Geschichten der Alten aufschrieb, so dass sie nach Jahrtausenden auf uns gekommen sind bis auf den heutigen Tag.
Alles, was ich bis eben gesagt habe, könnte ich auch in einem kurzen Satz zusammenfassen: Alle Theologie und alle Philosophie ist entstanden, weil Kinder Fragen stellen. Thema des Kirchentages vor fünf Jahren hier in Hannover, Sie erinnern sich:
“Wenn dich dein Kind fragt…“
Und in der Hebräischen Bibel geht der Satz weiter: „Dann sollst du ihm von den großen Taten Deines und Eures Gottes erzählen“. Und du sollst die Kinder die Weisungen Eures Gottes lehren. Genau s o geschieht es hier auf den ersten Seiten der Bibel. Indem die Altem erzählen…
II
Indem die Alten erzählen, ja. Aber – erstaunlich genug – sie erzählen anders und Anderes, als damals in Ägypten oder in Babylon erzählt wird. Der Himmel, die Sonne, der Mond sind Götter in Ägypten, in Babylon, die es zu verehren und zu fürchten gilt. Ja, und erst die unendliche Vielzahl der Gestirne am Firmament – „Weißt du wie viel Sternlein stehen…?“ es sind ihnen unheimliche Gottwesen, aus deren Stand und Lauf sich das Geschicke der Menschen, Glück oder Unglück, ergründen lassen. Bis heute:
„Weißt du w i e die Sterne stehen…?
Die Horoskope von heute – moderne Wirkungen ferner orientalisch- archaischer Weltanschauungen…
An so was hätten die Väter und Mütter Israels nie geglaubt!
Sie erzählen von dem Gott, der Himmel und Erde geschaffen hat. Der darum die Herrschaft hat über den ganzen Weltraum, über Sonne, Mond und Sterne und über alles, was auf unserer Erde aus der Finsternis von Wüste und Leere entstanden ist.
„Und Gott sprach: Es werde Licht und es ward Licht. Und Gott sah, dass das Licht gut war“. Die modere Welt redet vom „Urknall“, von jener unvorstellbar hellen Ur-Sekunde, in der – so sagen – oder glauben (?) – die Forscher – alles Leben der zukünftigen Welt, alle Ideen, alle Theologie, alle Philosophien bereits enthalten waren. Und dass wir hier heute miteinander Gottesdienst feiern. Naturwissenschaftliche „Prädestination“, wenn man so will.
In einem der größten Forschungsprojekte, an das sich die Menschheit je heran wagte, dem CERN (franz. Abkürzung für „Europäische Organisation für Kernforschung“ nahe Genf) wollen sie die Ur-Knall-Materie erforschen, indem sie Teilchen auf Lichtgeschwindigkeit beschleunigen, um sie zur Kollision zu bringen, in der Hoffnung, jene Ur-Sekunde unserer Welt rekonstruierend erforschen zu können. Also: dem Schöpfergott mittels Licht-Projektion in die Karten schauen. Ein bisschen „Sein wollen, wie Gott“.
Meistens ist das den Menschen nicht so gut bekommen. Und auch jetzt gibt es Leute, die fürchten bei diesem Groß-Versuch die Entstehung eines sog. „schwarzen Lochs“, in dem am Ende die ganze Erde verschlungen werden könnte.
Die Erzähler der alten Schöpfungsgeschichte wären nicht erst bei diesem Versuch schwindelig geworden. Unsere moderne Welt hätte ihnen längst den Atem verschlagen. Und die Staubwolke jenes Feuer – speienden Bergs auf Island hätte sie vermutlich zu der Frage an uns veranlasst, was wir denn da eigentlich seit nur ein paar Jahrhunderten aus Gottes guter alter Schöpfung gemacht haben.
III
Aber Vorsicht mit vorschneller Moral!
Die mit Sicherheit älteste Notiz in unserer Erzählung geht so: Hören Sie mal genau rein:
“Und Gott sprach: Lasst uns Menschen machen, ein Bild, das uns gleich sei, die da herrschen über die Fische im Meer und über die Vögel im Himmel und über das Vieh und über alle Tiere des Feldes und über alles Gewürm, das auf Erden kriecht“.
Lasst uns Menschen machen – da klingt noch so etwas wie ein altorientalischer Götterrat an. Immerhin: ein Bild, das uns gleich sei. Die altorientalischen Gottheiten hätten derartiges wohl nie untereinander verhandelt. Ein Wesen schaffen, das uns „gleich“ sei. Und Gott – gleiche Macht haben sollte? Niemals!
Darum geht es in der hebräischen Geschichte anders, nämlich s o weiter:
„Gott schuf den Menschen zu seinem Bilde“. Kein irgendwie gearteter orientalischer Götterrat, sondern der Gott, der der Herr ist über die ganze Welt.
Er schafft – als letzte aller Geschöpfe übrigens – einen Mann und eine Frau. Und segnet sie mit einem Auftrag: „Seid fruchtbar und mehret euch. Füllet die Erde. Macht sie euch untertan“.
Das alles ist seit dem ja passiert. Im Guten wie im Bösen. Von der Erfindung des Rades bis zur Atombombe. Von der Möglichkeit der Geburtenregelung bis zur Überbevölkerung der Erde.
Herrschaft über die Erde! „Dominium terrae“ werden es die Theologen später auf Lateinisch nennen, was hier erzählt wird. Aber: Was ist dem göttlichen Auftrag gemäß? Und was nicht?
Naturwissenschaft und Technik – ja! Aber wo liegt die Grenze, die verhindert,
dass aus dem Dominium terrae die Vernichtung der Schöpfung wird?
Jahrtausende später haben Christen in unserer Zeit die grenze so beschrieben:
“Gerechtigkeit – Frieden und Bewahrung der Schöpfung“. Die es s o sagen, haben die alte Erzählung von der Schöpfung verstanden. Weil: sie haben die Bibel weiter gelesen. Die meisten von uns wissen ja auch, wie das weiter geht. Wir kennen doch die Fortsetzung jenes großen Schöpfungs-Romans: Wie schon Adam und Eva sich weismachen lassen, sie wären am Ende wie Gott, unsterblich und wüssten zu unterscheiden zwischen gut und böse. Und was dann aus den Söhnen Kain und Abel wurde. Wissen wir doch. Wir haben´s gelesen oder gehört. Und wie Gott dennoch bei denen geblieben ist – immer!, – die aus seiner Schöpfung heraus gefallen sind. – Immer wieder. – Geschichten, die das Leben schrieb, vor tausenden von Jahren und immer noch wahr bis auf diesen Tag.
Nein, natürlich, das steht alles noch nicht drin in der alten Erzählung von der Erschaffung der Welt. Das alles folgt der alten Erzählung erst auf hunderten von Bibel-Seiten
Bis auf die Seiten des Neuen Testaments:
“Im Anfang war das Wort, und das Wort war bei Gott, und Gott war das Wort. Dasselbe war im Anfang bei Gott. Alle Dinge sind durch dasselbe gemacht, und ohne dasselbe ist nichts gemacht, was gemacht ist. In ihm war das Leben, und das Leben war das Licht der Menschen. Und das Licht scheint in der Finsternis, und die Finsternis hat´s nicht ergriffen“(Joh.1,1-5).
Was bei den alten Hebräern Poesie, Erzählung gewesen ist, Antwort auf wissbegierige Fragen von Kindern – hier wird es zur Theologie, zur Lehre , zur johanneischen Weltanschauung.
IV
Das war in der alten Schöpfungserzählung noch ganz anders.
Da war einfach viel ahnungsvoll fromme Phantasie. Und es macht mich schon manchmal staunen, dass die ahnungsvolle Phantasie der Hebräer mit den Ergebnissen moderner Forschung an einigen Punkten übereinstimmt: dass alles Leben seinen Ursprung im Wasser hat, zum Und wir Menschen als letzte in den Kreis der Lebenden eintreten, n a c h den Pflanzen und n a c h den Tieren.
Trotzdem ist es vermutlich ziemlicher Unsinn, in der alten Schöpfungsgeschichte
einen wissenschaftlich verlässlichen Bericht über die Entstehung der Erde, der Pflanzen, Tiere und Menschen zu sehen. Die so etwas denken und glauben – in Amerika, vielleicht auch in Deutschland – sie werden weder den alten Texten, noch den modernen Wissenschaften gerecht.
Gott hat uns niemals das Geheimnis seiner Schöpfung offenbart. Weder im 1. Buch Mose noch in der Evolutions-Theorie noch wird er es im groß angelegten CERN –Versuch tun. Was wir allein wissen können: Gott bleibt der Schöpfer und Herr unserer Welt und unseres Lebens. Unhinterfragbar! Es wäre gut, wenn wir es auch glauben könnten.
V
Und ein letzter Gedanke:
“Und so vollendete Gott am siebenten Tag seine Werke, die er machte, und ruhte am siebenten Tage von allen seinen Werken, die er gemacht hatte.
Und Gott segnete den siebenten Tag und heiligte ihn, weil er an ihm ruhte von allen seinen Werken, die Gott erschaffen und gemacht hatte.
So sind Himmel und Erde geworden“.
Noch kein Gebot: „Du sollst den Feiertag heiligen“.
Allein die Erzählung. Allein das Vorbild eines fleißigen Schöpfers. Kinder machen übrigens alles nach: wenn Vater oder Mutter arbeiten, möchten sie mithelfen. Eben: auch arbeiten. Wenn Gott-Vater ruht – am siebenten Tag,
werden es seine Kinder ihm nachmachen. Ohne zu wissen, warum das am siebenten Tag geschieht.
Nur – irgendwann merken die Kinder: man kann am siebenten auch Tag arbeiten.
Und man verdient dabei entsprechend mehr. Die Läden offen halten am Sonntag. Warum denn nicht? Am besten in der Adventszeit. Süßer die Kassen nie klingeln.
Und es lässt sich erweitern. Am besten aufs ganze Jahr.
Dass die Sieben eine uralte heilige Zahl ist, die für Ganzheit steht, heute würden wir sagen: für Nachhaltigkeit – und dass die in der alten Schöpfungs-Erzählung diese Bedeutung hat – wen interessiert das in einer Zeit, in der Zahlen dafür stehen, ob „sich etwas rechnet“, für Gewinn in Prozenten hinter dem Komma – bedauerlicherweise auch für Verluste…
Zahlen sind von alters her mehr, als Gewinn- und Verlust-Rechung.
Zahlen haben etwas mit den Geheimnissen Gottes zu tun: die Dreifaltigkeit –
die Sieben Tage der Schöpfung – die zwölf Stämme Israels und die 12 Jünger
Jesu – die 40-igjährige Wüstenwanderung Israels und die 40 Tage Jesu in der Wüste.
Zahlen, die viel mehr sind, als Zahlen. Hinter denen sich Gottes Weisheit verbirgt
Für die, die zu lesen und in „anderen Kategorien“ zu rechnen verstehen.
Weißt du, wie viel Sternlein stehen…?
Keiner weiß das. So wenig wir wissen, wie viel Mücken in der Luft oder Fische im Meer leben. Wie viel Vulkan-Asche die Flug-Sicherheit bedroht? Was wissen wir schon? Gott weiß es:
“Gott der Herr rief sie mit Namen, dass sie all ins Leben kamen…“
Und die Kinder, die all morgens frühe aufstehen müssen zu Kindergarten und Schule:
„Gott im Himmel hat an allen seine Lust, sein Wohlgefallen; kennt auch dich und hat dich lieb…“
Nicht Leistungs – stress wegen guter Zensuren oder guter Berufs-Chancen zur
Sicherung zukünftiger Renten-Zahlungen. Sondern: Du bist vor Gott wichtig und geliebt. Um deiner selbst willen. Und du hast einen unendlichen Wert vor deinem Gott.
Wertsachätzung der Kinder im Namen der Schöpfung! Damit sie stark werden
und geschützt vor dem Missbrauch falscher Götter und Vorbilder.
S o haben die Alten ihren Kindern von der Schöpfung gesungen. Mit liebevoller Poesie. Ohne Gehorsam fordernde Lehre…Sondern aus Freude an der Schöpfung unseres Gottes. Wie einst auch Paul Gerhard:
„Geh aus mein Herz und suche Freud…“ Reine Schöpfungs – Poesie.
Lasst sie uns singen. Um unserer selbst und unserer Kinder und um der herrlichen Schöpfung Gottes willen.
Friedenswunsch. Amen.
Hans-Bernhard Ottmer, S.i.R.
Schleiermacherstr. 28 + 30625 Hannover + Tel.: 0511 – 533 1993